In unserer heteronormativen Weltsicht, in der ausschließlich zwei Geschlechter, nämlich "Mann" oder "Frau" als mögliche Norm akzeptiert sind und in der somit kaum Platz für Personen ist, die diese binären System aufgrund körperlicher Merkmale und/oder ihrem persönlichen Identitätsempfinden nicht entsprechen können oder wollen, sind oft mit Folgen der Transnegativität mit ihren zahlreichen Formen von Gewalt konfrontiert.
Heute stehen wir gesellschaftlich und rechtlich in einem Umdenken was Geschlechtsidentitäten betrifft. Wir erleben mehr und mehr den Aufbruch einer strengen Dichotomie der Geschlechter, in der Frau-Sein und Mann-Sein und die damit einhergehenden Geschlechtsrollenzuschreibungen ausschließlich auf Grund der anatomischen Geschlechtsmerkmale bestimmt werden, hin zur Vielfalt der Genderidentitäten. Humanwissenschaftlich und rechtlich geht es heute in Richtung der freien Gestaltung der Persönlichkeit in Übereinstimmung mit der jeweiligen individuellen Geschlechtsidentität.
So hat 2009 der Österreichische Verwaltungsgerichtshof (VwGH) festgestellt, dass geschlechtsangleichende Operationen (zumindest eine Sterilisation) keine Voraussetzung für eine Personenstandänderung ist. Einige Länder haben rechtlich bereits ein drittes Geschlecht eingeführt. Damit soll Raum gegeben werden, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene sich nicht binär einem Geschlecht zuordnen müssen, da die selbstbestimmte Geschlechtsidentität laut Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EMGR) ein fundamentales Menschenrecht ist.
Trans*Identitäten und Geschlechtsnichtkonformitäten sind kein Phänomen der Neuzeit, sondern gab es immer schon, in allen Kulturen und wurden und werden jedoch unterschiedlich wahrgenommen und ganz unterschiedlich gesellschaftlich/kulturell bewertet und integriert.
Begriffserklärung:
Trans*
Transident empfindende Personen können sich mit ihrem zugewiesenen Geschlecht, mit dem sie geboren wurden, nicht oder nur teilweise identifizieren.
Viele trans*Personen benennen sich auch als trans*Frauen (Mann-
zu-Frau) oder trans*Männer (Frau-zu-Mann).
Das Sternchen* (Asterisk) soll die respektvolle Beachtung unter-
schiedlicher Lebensmöglichkeiten ausdrücken und ist als Platzhalter
für möglichst viele bekannte und noch unbekannte Geschlecht-
Selbstbeschreibungen zu verstehen.
Inter*
Die Begriffe Inter* bzw. intergeschlechtlich werden verwendet, wenn ein Mensch genetisch aufgrund seiner Geschlechtschromosomen und/oder anatomisch aufgrund seiner inneren und
äußeren Geschlechtsorgane und/oder hormonell aufgrund der Produktion von Geschlechtshormonen nicht den Normen, die für das weiblich oder männliche Geschlecht festgelegt wurden, entspricht.
Queer
Den Begriff queer oder genderqueer verwenden Personen für sich,
um ihre geschlechtliche Identität zu beschreiben, die sich zwischen
den herkömmlichen zwei Geschlechtern oder jenseits der Zwei-
geschlechtlichkeit befinden - ohne sich konkret zu definieren.
Cis
Cis, cis-geschlechtlich, cisgender (lateinisch „diesseitig“ im Gegenteil
von transgender, lateinisch „jenseitig“ bzw. „darüber hinaus“) meint
Menschen, für welche das zugewiesene Geschlecht mit dem
Identitätsgeschlecht übereinstimmt.
Drittes Geschlecht
Ein drittes Geschlecht soll Personen bezeichnen, die sich in das
heteronormative Geschlechtssystem („Frau“ oder „Mann“) nicht einordnen lassen (wollen). Hierbei kann das Geschlecht im biologischen Sinn festgelegt sein, aber es besteht eine davon abweichende,
selbstbestimmte Geschlechtsidentität.
Pan
Ein pansexueller Mensch ist in der Lage, für Menschen aller Geschlechts-identitäten sexuelle oder romantische Gefühle zu empfinden. Bisexuelle Menschen hingegen beziehen sich nur auf zwei Geschlechter, meist das eigene Geschlecht auf der einen und ein anderes Geschlecht auf der anderen Seite.
Crossdresser / Transvestiten
Menschen, die aus unterschiedlichen Beweggründen die Kleidung des anderen Geschlechts anziehen, jedoch nicht (unbedingt) ein Leben im anderen Geschlecht anstreben. Kann in manchen Fällen eine
Vorstufe der Transidentität sein. Fetischistischer Transvestitismus Menschen, die zur sexuellen Stimulierung Kleider des anderen Geschlechts tragen. Kann in manchen Fällen eine Vorstufe der
Transidentität sein.
Shemale / Ladyboy / Hegirl
Mann-zu-Frau-Transidente mit Brüsten und männlichen Genitalien. Der Begriff wird in erster Line im Bereich der Sexarbeit und/oder im Porno-Business verwendet.
Travestie
Eine (Bühnen-)Kunstform, bei der das andere Geschlecht – meist in parodierter Form – dargestellt wird.
Quelle: Mag. Johannes Wahala
Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Sexualwissenschaften (ÖGS)
Leiter der Beratungsstellen COURAGE in Wien |Graz | Salzburg | Innsbruck | Linz